Die zerbrochene Vase mit Gold neu zusammensetzen
Recoverygeschichte zum 19.12. von Brigitte
„Ich bin eine Vase!“
Meine Vase leuchtete von innen als ich geboren wurde und war mit Wasser gefüllt. Ich war damit beschäftigt meine Umgebung wahrzunehmen und vergaß, wer ich bin. Ich sah mich selbst nur durch das, was ich erlebte. Es fühlte sich unsicher an und ich war ängstlich. Dann erlebte ich eine Erschütterung und ich hatte es schwer das Gleichgewicht zu halten. Meine Vase bekam einen Sprung und ich verlor Wasser. Es fühlte sich an als ob ich zerbrechen würde und der Schmerz war überwältigend. Ich empfand Verzweiflung und Machtlosigkeit. Keiner sprach mit mir.
Dafür wurde ich in Baumwolle gewickelt und nach einiger Zeit spürte ich keinen Schmerz mehr. Ich vergaß auch, dass ich einen Sprung hatte in meiner Vase und lernte statt dessen, lieb zu sein, still und tüchtig zu sein.
Ich wurde gut darin andere Vasen zu fühlen und ihnen zu helfen zu funktionieren. Dafür bekam ich Aufmerksamkeit und ich zeigte wie tüchtig ich bin. Ich war sehr unsicher und strengte mich sehr an, um zu genügen.
Manchmal verlor ich das Gleichgewicht und meine Vase bekam einen neuen Sprung. Dann kam der Schmerz zurück und auch die Verzweiflung. Mein Körper reagierte in unterschiedlichen Situationen, z.B. wenn eine andere Vase nach Alkohol roch. Das löste Angst in mir aus. Ich kämpfte hart um nicht zu zeigen wie schlecht es mir ging.
Das Leben ging weiter und ich heiratete und bekam kleine Vasen. Ich war damit beschäftigt ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Als eine kleine Vase sehr krank wurde kämpfte ich sehr für sie. Aber eines Tages geschah das Unfassbare und meine kleine Vase starb.
Es war als ob mein Herz auseinander brach und ich fühlte mich sehr kraftlos. Aber ich schaffte es wieder zu funktionieren für meine andere kleine Vase. Jetzt erlebte ich meinen Anspruch auf Tüchtigkeit als große Belastung und ich erlebte Widerstand. In einer Situation fühlte ich wieder Verzweiflung und Machtlosigkeit und ich hatte keine Kraft mehr mich zusammen zu halten. Ich verlor die Kontrolle und meine Vase zerbrach.
Als ich Unterstützung bekam und lernte mich selbst zu beobachten ohne mich zu bewerten, konnte ich es zulassen, so wie es ist. Ich konnte mich aus einer anderen Perspektive sehen und hatte plötzlich Abstand zu mir. Ich konnte meine Scherben betrachten und bekam plötzlich ein Bewusstsein für das, was ich als kleine Vase erlebt hatte.
Zu wissen war schmerzhaft aber ich ertrank nicht mehr in meinen Gefühlen. Ich konnte meine Gefühle betrachten und bekam Verständnis für mich. Ich war eine kleine Vase und zu vergessen war ein Schutz um zu überleben und auch meine Strategie, um gesehen zu werden.
Ich entdeckte dass ich ein Bild von mir erschaffen hatte, wie ich zu sein hatte. Ich identifizierte mich mit dem, was ich tat, und fühlte Scham, wenn ich nicht tüchtig sein konnte. Es war ein Gefühl von Wertlosigkeit und das war Leiden. Ich konnte meine negativen Gedanken sehen, die Schuldgefühle erzeugten und wie mein Körper darauf reagierte. Ich sah auch meine Schwierigkeiten für mich selbst zu sorgen.
Ich entschied mich, mich wieder zusammen zu setzen und nahm die Scherben in meine Hände. Mit meinem inneren Auge entdeckte ich Gold in mir – oder war ich selbst das Gold? Ich betrachte mich mit Liebe und malte das Gold auf die Kante der Scherbe und setzte sie an ihren Platz. Es brauchte Geduld, damit das Gold trocknen konnte und die Scherbe an ihrem Platz blieb. Meine Fähigkeit, mich bewusst wieder zusammen zu setzen gab mir ein Gefühl von Sicherheit und ich fühlte Dankbarkeit für die, die ich bin. Ich empfand das Leben nicht mehr als Aufgabe, die zu lösen war, sondern wagte das Leben zu erleben.
Ich erlebte Unterstützung von anderen Vasen, die Hoffnung hatten und Verständnis zeigten. Da hatte ich den Mut meine gesprungene Vase zu zeigen. Es war ein Erlebnis von Freiheit und fühlte sich sinnvoll an. Ich konnte jetzt besser meine Verletzlichkeit akzeptieren.
Jetzt nehme ich mir die Zeit, um einfach nur zu sein und fühle mich in meinem Körper. Das verankert mich im Hier und Jetzt.
Ich weiß, dass die Gedanken und Gefühle wie Wolken am Himmel sind und das meine Sonne in mir immer scheint.